Samstag, Januar 01, 2011

1Q84 - Das Geheimnis der Realität

Noch schneller als gedacht, habe ich den neuen Murkami verschlungen:
Ichi kyu hachi yon - 1984 und 1Q84... Für Japaner hören sich die beiden so unterschiedlichen Jahreszahlen gleich an. Und doch ist das eine nicht die echte Welt. Eine Parallelwelt. Oder sollte ich auf den Taxifahrer am Anfang des Buches von Haruki Murakami hören, der der jungen Frau Aomame den Rat gibt: „Nicht vom äußeren Schein täuschen lassen. Es gibt immer nur eine Realität”. Vielleicht also doch keine Parallelwelt, sondern alles nur Täuschung? Wie immer bei Murakami bleibt vielles offen und gerade das macht aber immer wieder den Reiz aus sich in seinen Büchern zu verlieren.
Ganz harmlos beginnt das erste der zwei Bücher, die in der deutschen Fassung in einem Band zusammengefasst sind:
Aomame, eine junge Frau sitzt in Tokio auf der Stadtautobahn in einem Taxi. Und nichts geht. Stau. Doch dann gibt der Taxifahrer ihr den Tipp sich über eine Nottreppe zum nächsten Bahnhof durchzuschlagen, um doch noch pünktlich zu einem wichtigen Termin zu kommen.
Tengo, ein junger angehender Schriftsteller, sitzt in einem Café in Shinjuku und unterhält sich mit einem befreundeten Redakteur. Als der ihm ein unmoralisches, aber kaum auszuschlagendes Angebot macht. Einen Roman einer 17-jährigen so stilistisch zu verfeinern, dass es den Debütpreis eines Literaturmagazins gewinnt.
Murkami beginnt in der Realität wie wir sie kennen und gleitet dann doch auf zauberhafte Weise fast unbemerkt hinüber in seinen typischen Stil des Magischen.
Denn plötzlich wird aus der jungen Frau eine Auftragskillerin, die gewaltätige, perverse Männer umbringt und feststellt, dass die Welt um sie herum sich in einigen wichtigen Details verändert hat... die Polizisten haben andere Uniformen und auf einmal Automatikwaffen, ach ja und zwei Monde stehen das plötzlich am Himmel.
Bei Tengo entpuppt sich die 17-Jährige Autorin als Legasthenikerin, die in einer komischen Sekte in den Bergen aufgewachsen ist und die Little People aus ihrem Roman in der Wirklichkeit sieht...
"wer liest denn solche Geschichten? Nun, tatsächlich nicht wenige, Murakami ist Kult, und wer wissen will, warum, muss sich mit vielleicht stotternden Antworten begnügen."
Susanne Mayer in der Zeit

Murakamis Erzählstil ist großartig. Die Worte sind einfach und doch so facettenreich, dass sie mich stellenweise sprachlos werden lassen. Immer wieder muss ich bei der Lektüre aufschauen und nachdenken. An so vielen Stellen wird man in die eigene Realität geworfen. "Wie ist das bei mir?" "Wie war das nochmal?" Immer hing ich beim Lesen Tagträumen nach. Murakami regt mich immer dazu über den Text, das Leben, die Welt und mich selbst nachzudenken. Es sind die Passagen über Grundsätzliches. Das Verhältnis der Hauptperson zur Liebe, zum Essen, zur Arbeit, Familie, Sport, Mitmenschen. Es ist als wenn man sich selbst zwischen Fiktion, Parallelwelt und Realität verliert. Genau wie Tengo und Aomame. 1984 oder 1Q84 oder einfach nur JETZT...
Die beiden Geschichten von Aomame und Tengo, die immer abwechselnd erzählt werden, verflechten sich nach und nach immer mehr ineinander bis sie am Ende des Romans fast aufeinandertreffen. 20 Jahre nach ihrem ersten Treffen in der Schule, als Aomame auf einmal Tengos Hand nahm und sie für einen Moment festhielt und ihm tief in die Augen schaute. Am Ende bleibt das Ende aber offen. Und wenn ich nicht wüsste, dass noch ein drittes Buch folgen wird (Gerüchten zu Folge erst Ende 2011), könnte es entsprechend Murakamis Stil auch so zu Ende gehen.
Wer Murakami mag, wird dieses Buch lieben... wer allerdings noch nie einen Murakami gelesen hat, sollte vielleicht nicht gerade mit diesen 1021 Seiten beginnen. Kafka am Strand oder eine der Sammlungen von Kurzgeschichten kann ich da eher als Einstieg in die magische Welt von Haruki Murakami empfehlen.

Eine richtig gute Rezension stand in der FAZ, die noch unter buecher.de zu finden ist.
Ansonsten gabe es auch einen kurzen Video-Lesetipp bei der Zeit:

Labels: , ,