Europa trinkt zu viel
Wie fleißige Blogleser sicherlich mitbekommen haben, interessiere ich mich sehr für die schwedische Sprache und auch ihre Kultur. Ein Blog, der mich tagtäglich über Neues und Interessantes informiert ist fiket.de. Und heute morgen bin ich dort wieder auf einen tollen Eintrag gestoßen.
In Schweden wird Alkohol nicht in Super- oder normalen Getränkemärkten von irgendwelchen Privatpersonen verkauft, die natürlich möglichst viel an den Mann oder die Frau bringen wollen, sondern in den so genannten Systembolaget. Die Systembolaget sind ein staatliches Unternehmen, die als einziges Alkohol vertreiben dürfen. Im Jahr 2005 wurden die Systembolaget 50 Jahre alt und starteten eine Anzeigenkampagne in Zeitungen in ganz Europa, die für die schwedische Alkoholpolitik werben sollte. Die Anzeige richteten sie direkt an José Manuel Durão Barroso, den Präsidenten der Europäischen Komission.
Ich bin mal so frei und übernehme hier die Übersetzung von fiket.de:
Lieber Herr Barroso, aus diesen Gründen sollten Sie ernsthaft darüber nachdenken, das Trinken einzuschränken:
Bildunterschrift: Probleme mit Alkohol kosten die europäischen Länder nach Schätzungen der WHO jedes Jahr 200 Milliarden Euro. Das ist sehr viel Geld.
So seltsam es klingen mag, wenn es von einem der weltweit größten Käufer von Alkohol kommt, wir machen uns Sorgen um die Trinkgewohnheiten auf unserem Kontinent. Europäer trinken doppelt so viel wie Menschen in anderen Teilen der Welt. Und nach den Zahlen der WHO sterben jedes Jahr 600.000 Europäer an den Folgen von Alkoholkonsum.
Die Situation ist eine andere von Land zu Land, teils wegen kultureller Unterschiede. Aber im Ganzen sind die Probleme rund um Alkohol in Europa erheblich. Und sie nehmen schnell zu. Gerde in Nordeuropa, wo viele Leute angefangen haben, ihr Bier, Wein und Spirituosen in billigeren Nachbarländern zu kaufen, oft in großen Mengen.
In Schweden, wo die Menschen lange Zeit viel weniger tranken als in anderen Ländern, hat der Alkoholkonsum in den letzten zehn Jahren um 30% zugenommen. Als Folge sind auch die zugehörigen Probleme gewachsen (auch wenn sie immer noch weniger ernst als in den meisten EU-Ländern sind).
Der niedrige Konsum in Schweden hatte wenig mit schwedischer Kultur zu tun, wie jeder bestätigen kann, der einen Freitagabend in unserer Kultur verbracht hat. Es liegt an der Art, wie alkoholische Getränke verkauft werden: Nur in unseren Läden. Ohne Profitabsicht. Zu eingeschränkten Zeiten. Und mit hohen Steuern.
Schweden wären wohl nicht so angetan von diesem System, wenn es dem Kunden nicht auch Vorteile brächte, zum Beispiel die weltgrößte Auswahl an Bier, Wein und Spirituosen. Zur Feier unseres 50. Geburtstags zeigen Umfragen, dass wir unsere zwei Hauptaufgaben besser als je erfüllen; die Kunden zufriedenzustellen und Minderjährige davon abzuhalten, in unseren Läden einzukaufen.
Trotzdem wachsen die Probleme mit Alkohol immer schneller. Aus diesem Grund bringen wir unsere Jubiläumsanzeige in der Financial Times. Wenn man 50 wird, darf man sich etwas wünschen. Und unser Wunsch ist es, dass Sie, und andere Europäer, darüber nachdenken, was die EU-Länder gewinnen können, wenn man die Probleme rund um Alkohol reduziert.
Wir wissen, dass die EU sich nicht vorrangig mit Dingen wie diesen beschäftigt. Aber Gesundheit und Wohlergehen der Bürger beeinflussen auf ihre Art die Gesundheit und das Wohlergehen der Wirtschaft. Niemand kennt die genauen Kosten von Alkoholproblemen, aber die WHO schätzt die Rechnung auf 2 bis 5% des Bruttosozialprodukts. In Geld ausgedrückt? Zwischen 200 und 500 Milliarden Euro pro Jahr für die gesamte EU.
Was wenn einiges davon gespart werden könnte? Wir haben ihnen ein interessantes Buch zum Thema geschickt. Es ist ein von der WHO geförderter Bericht, der die Möglichkeiten zur Verminderung des Problems darlegt. Aber weil er 290 Seiten lang ist und weil wir wissen, dass Sie sehr viel zu tun haben, haben wir noch etwas anderes getan.
Wir haben einen Film für Sie gemacht. Sie können ihn unter www.DearMrB.se ansehen.
Um ihnen Zeit zu sparen, haben wir einen fünfminütigen “Schnellkurs” erstellt und ihn auf die Internetseite www.DearMrB.se gestellt. Wir hoffen, dass Sie ihn nützlich finden. Außerdem hoffen wir, dass Sie die Überschrift nicht erschreckt hat. (Wir versprechen, so etwas frühestens 2055 wieder zu tun.)
Das schwedische Alkoholverkaufsmonopol, das seinen 50. Jahrestag feiert.
Das Video finde ich wirklich sehr gelungen. Es ist eine Mischung aus sachlicher Berichterstattung und amüsanter Unterhaltung. Und wenn man diesen Film gesehen hat fragt man sich tatsächlich, warum nicht überall in Europa dieses schwedische Konzept übernommen wird.
Andererseits erinnere ich mich an mein erlebtes Silvester in Göteborg. Ich trinke gerne mal etwas Alkohol und an dem Abend auch Sekt. Rund um uns herum auf dem Platz standen ähnlich junge Menschen. Doch die torkelten zum Großteil wild umher, schossen völlig willkürlich Raketen und Böller in die Menge. Sie schienen trotzdem sie ca. 25 Jahre alt waren, nicht zu wissen, wann Schluss sein sollte, wo ihre Grenzen liegen.
Ein Schlusssatz noch, der mir immer wieder in den Sinn kommt, bei dem ich aber auch selbst immer wieder in kontroverse Argumentation verfalle:
Lieber unter Aufsicht der Eltern mit 15, 16 seine Grenzen kennen lernen, und wissen, was Alkohol bei einem anrichtet, als es erst mit 25 zu merken und sein Leben zu versauen. (Zum Beispiel, wenn man meint noch betrunken sein Auto heim bringen zu wollen...)
0 Comments:
Kommentar veröffentlichen
<< Home