"Ihr seid die künftige Elite" hat man uns bei der Zeugnisübergabe nach dem Abitur gesagt. Mich hat das damals nicht sonderlich gestört. Schien ja irgendwie ein Lob zu sein und Lob nimmt man ja doch schnell erstmal so hin und freut sich. Ein Freund, der mit dabei war, hat sich damals schon tierisch über diesen Satz aufgeregt: "Ihr sollt alle Elite sein, und ich mit Hauptschulabschluss bin wohl der letzte Rest oder was?"
Elite ... Zugegebenermaßen war bis dahin das Wort für mich eher positiv besetzt. Ich hatte nicht die Nazis im Hinterkopf. Es war für mich eher ein Ausdruck für "besser in etwas sein als andere", manche Dinge besser machen zu können. Und das ist doch generell etwas positives, in etwas gut zu sein, etwas besser zu können als andere. Aber es bezog sich für mich nie auf das Ganze. Meine Verständnis des Wortes war sehr naiv. Ich war eben gut in der Schule, zum Beispiel war ich in Mathe besser als viele meiner Schulkollegen. Und darauf war ich stolz. Dafür waren aber viele besser in Deutsch, Kunst, Chemie, was auch immer. Es gab also eine Art Gleichgewicht. So hab ich das verstanden. Das Elite aber keineswegs ein immer nur positiv belegtes Wort ist, wurde mir in der letzten Woche wieder einmal ins Bewusstsein gerufen.
Zufällig lief ich im Zeitungskiosk im Bahnhof an dem Buch "
Gestatten: Elite" von
Julia Friedrichs vorbei. Gesehen, gekauft, verschlungen. Julia Friedrichs hat sich auf die Suche gemacht. Sie hat diejenigen besucht, die sich Elite nennen und wollte herausfinden, was für diese Menschen der Elitebegriff ausmacht. Was bedeutet es Elite zu sein?
Es hat mich doch sehr erschreckt in was für einer Parallelwelt, die in dem Buch beschriebenen Schüler und Studenten leben. Elite beutet für sie besser zu sein, aber eben auch das andere schlechter sind. Für die meisten gibt es aber kein Gleichgewicht, sondern nur Gewinner und Verlierer.
"Aber was ist, wenn sich Deutschland dann drastisch verändert, wenn es dann zwar mehr Gewinner, aber auch mehr Verlierer gibt?", fragt Julia Friedrichs in ihrem Buch
Christopher Jahns, Dirketor der
European Business School. "Pech gehabt!" ist seine Antwort.
Laut ihm hat angeblich jeder die Chance Leistungsträger, "Leader", zu werden. Doch das den Menschen aus den unteren und mittleren sozialen Schichten der Zutritt zu seiner Universität unmöglich ist, scheint ihm nicht bewusst oder er leugnet es nach außen hin, um nicht als Unmensch zu gelten. Denn ich glaube kaum, dass selbst meine Eltern, die sicherlich nicht furchtbar schlecht verdienen, mir einen Besuch dieser Uni mit 4950 Euro pro Semester hätten bezahlen können.
Die Schüler und Studenten selbst haben ein völlig verqueres Bild zum Thema Geld und Sachwert. Aber wer kanns ihnen verübeln, sie kennen es ja nicht anders. Ein Schüler des
Internats Salem schämt sich in dem Buch schon für sein Herkunft. Im genauen schämt er sich dafür, dass seine Eltern sich die 30 000 Euro Jahresgebühr nicht leisten können und er ein Teilstipendiat ist. Julia Friedrichs fragt ihn: "Du hast doch ähnlich teure Klamotten wie die anderen. Du kommst doch ganz offensichtlich nicht aus Hartz-I-IV-Verhältnissen?" "Nein", antwortet der Internatsschüler. "Aber nah dran. Mein Vater ist Arzt."
Tja, da weiß man nicht mehr, ob man lachen oder lieber laut los heulen sollte.
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